SOESTER RUNDE
Int. Forum zur Bildung und zur Kultur im Handwerk der Steinmetzen in EuropaJürgen Prigl, Kurzbericht anlässlich der Dombaumeistertagung 2002 in Osnabrück
Durch die Rechtsordnungen in den Staaten Europas treten im Berufsbildungwesen große Unterschiede zutage. Die Welt des Handwerks ist elementar betroffen. Steinmetzen und Steinbildhauer sind besonders befähigt, gemeinsam an der Kultur des Berufes zu arbeiten. Schon vor Jahrhunderten wurde ein europäisches Netzwerk von Bauhütten gepflegt, das ein hervorragendes Schulungssystem beinhaltete. Es ist die Wurzel für ein Idenditätsgefühl eines Berufes, das verankert ist in der Geschichte vieler Epochen und ausstrahlt auch in der heutigen Zeit. Wenn aber ein geistiges Vorbild nur kopiert würde, so hätte es seine Leitfunktion verloren. Im zusammenwachsenden Europa ensteht eine Chance, sich gemeinsam seines Anliegens anzunehmen und es zu seinem Nutzen und zum Wohle der Gesellschaft zu gestalten. In diesem Sinne initiierte ich vor Jahren ein Treffen in der Meisterschule für Steinmetzen und Steinbildhauer an der Dombauhütte St. Maria zur Wiese in Soest.Die 1. Zusammenkunft fand am 21.8.1998 zu Fragen der beruflichen Weiterbildung und der Meisterprüfung statt. Meine Meisterschule und die Compagnons du Devoir aus Frankreich schlossen eine Kooperation mit dem Ziel, partnerschaftlich und auf hohem Niveau an einem europäisch geltenden Aus- und Weiterbildungsstandard zu arbeiten. Gleichzeitig wurde Kreativität und Offenheit festgeschrieben unter zwei Prämissen: 1.) vorbehaltlose Akzeptanz der Kollegen europaweit in ihren Tätigkeiten und in ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung im jeweiligen Land mit seiner Rechtsordnung; 2.) gemeinsames Streben nach immer besserer Qualität bei der Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen und deren Graduierung.Zur 2. Soester Runde am 18.5.1999 fanden sich 4 Nationen zusammen, die Direktoren der Landesberufsschulen aus der Slowakei und aus Südtirol/Italien traten hinzu. Das Deutsche Handwerk war wieder durch den ZDH-Vizepräsidenten und durch den Bundesinnungsmeister vertreten. Erörtert wurden handwerkspolitische Strömungen in Europa und Möglichkeiten der Koordinierung. Dabei wurde deutlich, dass die Frage der Graduierung im Handwerk ein Problem ist, das sich nicht von selbst lösen kann und dass ein Land allein kein Patentrezept für alle besitzt. Die Zukunft der Sache kann aber durch sinnvolle Kooperation auf europäischer Ebene gestaltet werden.
In der 3. Zusammenkunft am 25./26. 8.2000 waren Persönlichkeiten aus 8 Nationen Europas vertreten, aus Schweden trat die Gotländer Bauhütte hinzu, aus Österreich der Bundesinnungsmeister und der Direktor der HTL-Hallein, aus Ungarn ebenfalls der Präsident des Verbandes sowie aus Belgien die königl. Akademie der schönen Künste. Es gab zwei wichtige Impulse: -dem ´Master of science´ muss europaweit ein ´Master of craft´ zur Seite gestellt werden; -das Handwerk muss europaweit einen Mangel an verbindenden ´guten´ Begriffen, wie Qualität, Jugend, Selbstverwirklichung etc. abschaffen. Darüber hinaus wurde vereinbart, in Zukunft europäische Empfehlungen auszuarbeiten.
Am 25.5.2001 wollten wir auf der Stone+tec im kleinen Kreis Vorbesprechungen für die 4. Runde führen. Es kamen aber Kollegen aus 12 Nationen. Der Bedarf und der Wille zu gleichberechtigter Arbeit an der Bildung und der Kultur des Steinmetzhandwerks in Europa wurde hier deutlich vorgebracht. Der Bundesinnungsmeister Österreichs, gleichzeitig Vize-Präsident der UEAPME in Brüssel schlug daraufhin die Ausarbeitung einer „Charta von Soest“ vor. Bei der offiziellen 4. Soester Runde am 5./6.10.2001 wurde die Vorlage der ausgearbeiteten Empfehlungen, bei der ein hochkarätiger Expertenkreis aus 16 Nationen mitwirkte, diskutiert, weiterverfasst und zur Herausgabe beschlossen. Ausführliches lässt sich z.B. über das Internet erfahren oder direkt bei mir.
Es folgte eine europaweite Korrespondenz, die Rückmeldungen waren durchweg positiv, in mehreren Fällen von ministerieller Ebene. Für die 5. Soester Runde wurde mit den Freunden am Basler Münster der ideale Partner und Gastgeber gefunden. Am 27./28.9.2002 wurden dort zwei wegweisende Empfehlungen beschlossen: 1.) die nationalen Fachverbände des Steinmetzhandwerks in Europa bilden einen europäischen Verband; 2.) zur beruflichen Bildung im Handwerk der Steinmetzen in Europa wird gemeinsam ein Standardwerk aufgestellt; zur entsprechenden Redaktionsgruppe gehören die Bildungseinrichtungen der Soester Runde. Für die bisherige Unterstützung sage ich herzlich Dank. Die Sache braucht sie auch in Zukunft.