Evangelische Pfarrkirche St. Marien Stralsund

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Baugeschichte

Mit dem Bau der Marienkirche in ihrer heutigen Form wurde nach einem aus Quellen bekannten Turmeinsturz oder Einsturz des Turmhelms im Jahre 1384 begonnen. Langhaus, Querhaus und Chor entstanden nach relativ einheitlichem Plan von 1384 bis wahrscheinlich 1411/12 In einem zweiten Bauabschnitt entstand von 1418 bis 1473 das heutige Turmbauwerk mit dem westlichen Querhaus, das in sich eine quergelagerte Halle darstellt. In den folgenden fünf Jahren bis 1478 wurde der Turm mit einem enormen Spitzhelm bekrönt, der in 150 Metern Höhe endete und den Turm zu dem zum Zeitpunkt seiner Errichtung höchsten Bauwerk machte. Die gesamte Bauzeit der Marienkirche betrug somit 94 Jahre.

Bis 1647 stand die Marienkirche als größte Pfarrkirche der Hansestadt Stralsund in dieser Form. In jenem Jahr wurde die große Kirchturmspitze durch Blitzschlag zerstört; die Kirche erlitt in Folge des Brandes erheblichen Schaden mit Verlust der beiden westlichen Langhausgewölbe – erneuert 1651, der Dachstühle und der Holzanker. Eine dendrochronologische Untersuchung (T. Schöfbeck) datierte sämtliches Holz nach 1647. Die Wiederherstellung der Kirche dauerte 28 Jahre, bis 1675. Die heutige barocke Turmhaube wurde allerdings erst 1710 vollendet. Infolge der französischen Besatzung Stralsunds kam es in den Jahren 1805 bis 1810 zu erneuten Verwüstungen im Innenraum. Anschließend wurde die Kirche provisorisch wiederhergestellt. Bedeutend ist die grundlegende Restaurierungsmaßnahme der Jahre 1840 bis 1856, die allerdings zu einer Neugestaltung und Uminterpretation der Baudetails im Sinne der frühen Neugotik unter direktem Einfluss Karl Friedrich Schinkels führte. Heute ist das noch an der neugotischen Stuckdekoration des Chores zu erkennen, die es in der ganzen Kirche gegeben hatte, die aber in den 1920-er Jahren im Langhaus und teilweise auch im Querhaus zurückgenommen wurde. In dieser wurde auch ein gelbliche Fondton aufgebracht, gegen den Protest der staatlichen Denkmalpflege. Bei der damaligen Maßnahme wurden die zum Teil figürlichen Malereien in den Langhaus-Seitenschiffen entdeckt und bis Anfang der 1940-er Jahre freigelegt und ergänzt.

 

Baugestalt

St. Marien wurde als dreischiffige Basilika mit Querschiff errichtet; die Strebebögen befinden sich unsichtbar unter dem Dach der Seitenschiffe. Das Langhaus besitzt sechs Joche, der Umgangschor ein Joch mit 5/8-Schluss dazwischen liegt das quadratische Vierungsjoch. Die lichte Weite des Mittelschiffs beträgt 10,45 m, die Höhe 32,40 m. Die Kirche ist kreuzrippengewölbt.

Das Westquerhaus ist 45 m breit, der Turm besitzt heute eine Höhe von etwa 105 m. Die Kirche hat eine Gesamtlänge von 99 m.

 

Ausstattung

St. Marien hat ihre mittelalterliche Ausstattung bis auf wenige Stücke verloren, die Kirche besitzt allerdings wertvolle Ausstattungsteile u. a. aus der Barockzeit. Stellvertretend seien genannt:

  • Marienkrönungsaltar, Mitte des 15. Jahrhunderts, in den 1990-er Jahren aus der Friedhofskapelle Semlow nach St. Marien gekommen
  • Achteckiges Taufgehäuse, 1738
  • Kalksteintaufe, Ende 13. Jahrhundert
  • Orgel, 1653-59 von Friedrich Stellwagen
  • drei große Schnitzfiguren: Maria mit Kind, Petrus, Paulus, um 1430, ursprünglich für den Giebel der nördlichen Portalvorhalle
  • drei große Messingkronen: 1557, 1639, 1649
  • Zahllose Kapellenschauwände, Epitaphien, Leuchter, Wandarme, Grabplatten

Restaurierungsarbeiten

Die Außenflächen der Kirche sind großteils bereits instandgesetzt worden. Die Marienkirche wurde von 1992 bis 2004 außen saniert. Die Maßnahmen wurden gefördert durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Bundesrepublik Deutschland. Sie sind im Wesentlichen abgeschlossen und führten zur Wiederherstellung der zuletzt überlieferten Form; die im 19. und frühen 20. Jahrhundert teilweise veränderten Fensterformen wurden beibehalten.

 

Die Planung zur Restaurierung der wertvollen Stellwagen-Orgel von 1657 führte zunächst zur Forderung, die Wand- und Gewölbeflächen im Bereich der Orgel zu sanieren und schließlich zum Beginn der Innenrestaurierung von St. Marien. Zunächst erfolgte eine gründliche stichprobenartige Untersuchung der Oberflächen in Langhaus, Vierung, Querhaus und Chor. Durch die Untersuchung konnte das komplexe mittelalterliche Fassungssystem insbesondere des Langhauses einigermaßen vollständig ermittelt werden. Die jüngsten Restaurierungsarbeiten an der Ausstattung betrafen bislang u.a.:

  • Sicherung, Restaurierung und Ergänzung am aus der Friedhofskapelle Semlow hierher verbrachten Marienkrönungsaltar, Mitte des 15. Jahrhunderts
  • Restaurierung verschiedener in der Kirche hängenden Bilder
  • 2003-2006 Restaurierung der Stellwagen-Orgel mit umfangreichen Arbeiten am Prospekt und am Orgelwerk, gefördert von der Hermann Reemtsma Stiftung.
  • 2004-2007 Innenrestaurierung des Langhauses
  • 2008-2014 Restaurierung der Gewölbemalereien in den Seitenschiffen des Langhauses
  • seit 2012, 2018 noch andauernd: Restaurierung der Stuckausstattung von 1840 in Querhaus und Chor
  • für 2019 geplant: Instandsetzung des Nordwestportals als Alltagsportal mit Herstellung eines WC-Einbaus in einer der Seitenkapellen

Besonderheiten

Das Besondere an St. Marien ist der radikale Verzicht auf Dekoration der Architektur, durch die der monumentale Eindruck des Bauwerks noch gesteigert wird. Besonders deutlich wird dies an der Außengestaltung des Chores, der lediglich am Obergaden einen Zierfries aufweist. Die ungewöhnliche Fensterform wird wesentlich durch das Rauminnere bestimmt: Die Form der Fensterbögen ergibt sich aus der Anschlusslinie des Gewölbes an die Außenwand. Mit der maximal möglichen Fenstergröße wird hier zugleich ein Maximum an Lichtfülle erzielt. Eine Hauptattraktion der Kirche ist die Orgel von Friedrich Stellwagen

 

Nutzung

St. Marien ist Gottesdienstraum der Evangelischen Kirchengemeinde St. Marien. Der Besuch der Kirche für Touristen wird durch lange Öffnungszeiten ermöglicht. Auch die Besteigung des Westturms ist möglich. Regelmäßig finden Konzerte und Ausstellungen statt. Insbesondere die jährlichen Friedrich-Stellwagen-Orgeltage ziehen sehr viele Besucher an.